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Auszüge aus den Rostam- Legenden des Schahname von Ferdousi (10.Jh.)

Geburt von Zal

Sam hatte keinen Nachkömmling,
sein Herz verlangte nach einem Herzenstrost.

In seinen Frauengemächern war eine Schönheit,
deren Wange rosengleich und deren Haare aus Moschus waren.

Von dieser Mondschönen wünschte er ein Kind,
weil sie wie die Sonne strahlte und stark war.

Von dem Sam, Sohn des Nariman, wurde sie schwanger,
und litt unter dieser schweren Last.

Nach einiger Zeit gebar sie ein Kind,
so schön wie die weltstrahlende Sonne.

Das Antlitz wie die Sonne,
die Haare aber ganz weiß!

Niemand traute sich, dem kühnen Sam zu sagen,
dass seine Gefährtin ein altes Kind geboren hat.

Ein Kind mit einem Löwenherz,
schon als Kind ein kühner Held.

Sein Körper wie reines Silber, sein Gesicht wie das Paradies,
kein Körperteil unschön.

Sam der Ritter stieg vom Thron herab
und betrat das Frauengemach, um den neuen Lenz zu schauen.

Als er den weißhaarigen Sohn sah,
zweifelte er hoffnungslos an der Welt.

Er hob seinen Kopf gen Himmel
und suchte flehend Hilfe bei dem Gerechtigkeitsbringenden:

O Du über allen Mangel und alles Unrecht Erhabener,
Heil kommt nur durch Deinen Willen.

Habe ich etwa eine schwere Sünde begangen,
und Teufelskult betrieben ...

Ach! Was soll ich zu diesem Dämonenkind sagen?
Ist es etwa ein bunter Leopard - oder eine Fee?
Ausgelacht werde ich von den Großen der Welt,
heimlich und öffentlich, wegen dieses Kindes.

Zornig sagte er diese Worte und wandte sich ab,
dauernd haderte er mit seinem Schicksal.

Er befahl, das Kind fortzubringen,
man brachte es außer Landes.

An einem Ort, wo der Simorq seinen Hort hatte,
in eine fremde Gegend.

Man legte das Kind auf einen Berg hin und kehrte zurück-
eine lange Zeit war verstrichen.

Dort weilte das kleine Kind,
Tag und Nacht ohne einen Schutz zu finden.

Simorq und Zal

Der Simorq kam aus den Wolken herab
und trug das Kind an den Krallen vom warmen Felsen hoch.

Geschwind brachte er das Kind bis zum Alborzgipfel,
an einen Ort, an dem seine Bleibe war.

Der Simorq und seine Jungen schauten zu,
wie das Kleine aus den Augen Blut weinte.

Erstaunt nahmen sie liebevoll jenen Schönen an,
verwundert und verwirrt durch seine Schönheit.

Gott hat bei Simorq Mutterliebe erweckt,
so dass er nie daran dachte, das Kind zu verzehren.

Eine lange Zeit ging vorüber,
bis das kleine Kind heranwuchs.

Da wuchs ein Mann wie eine freie Zypresse,
sein Körper wie ein Berg aus Silber, seine Taille wie Bambus.

Sein Ruf verbreitete sich in der Welt,
Gut und Böse bleiben niemals verborgen.

Sam, Sohn des Nariman, vernahm die Nachricht
von dem herrlichen, prachtvollen Sohn.


Rückkehr von Zal

Sein Rumpf und Arm wie ein Löwe, das Antlitz wie die Sonne,
kühn im Herzen, die Hand zum Schwert geeignet.

Wimpern weiß, Augen pechschwarz,
Lippen wie Korallen, Wangen wie Blut.

Das Herz von Sam wurde zum hohen Paradies,
dem Sohn spendete er Lob.

Ein Heldengewand zog er Zal an
und stieg vom Berg herunter.

Während er vom Berg herunterkam, verlangte er nach einem Pferd
und einem königlichem Gewand für seinen Sohn.

Das ganze Heer empfing den Sam,
glücklich mit weitem Herzen.

Mit Pauken führte man die Elefanten,
ein Staub wie ein Berg stieg empor.

Pauken und Trompeten erschallten,
mit goldenen Glöckchen und großen Glocken.

Ein Schrei stieg auf von allen Rittern,
sie marschierten freudig vorbei.

Heiter kamen sie in die Stadt,
zahlreich traten tapfere Helden hervor.

Rudabe und Zal

Es war ein König namens Mehrab,
ein glücklicher, gewandter und reicher König.

Seine Gestalt ähnelte einer freien Zypresse,
sein Antlitz wie der Lenz, sein Gang wie ein Fasan.

Als er die Geschichte von Sam vernahm,
kam er aus Kabul bei der Morgendämmerung.

Ein Namhafter von den Großen
sagte zu Zal, dem Helden der Welt:

An seinem Hof ist ein Mädchen,
dessen Antlitz schöner als die Sonne ist.
Von Kopf bis Fuß wie Elfenbein,
ein Gesicht wie das Paradies, die Gestalt wie eine indische Eiche.

Zwei Augen wie zwei Narzissen im Garten,
Wimpern dunkler als Rabenfedern.

Prachtvoll wie ein geschmücktes Paradies,
verziert mit Freude und Vermögen.

Das Herz von Zal kam zum Sieden,
so, dass er Ruhe und Sinn vergaß.

Im Nu wurde das Herz von Zal wahnsinnig,
er verlor den Verstand und die Liebe wurde weise.


Die silberleibige Mutter von Roudabe fragte ihren Mann Mehrab,
und öffnete saftig ihre Beerenlippen:

Was für ein weißhaariger Mann ist der Sohn von Sam?
Entstammt er einem Thron oder einem Nest?

Folgende Antwort gab ihr Mehrab:
O du Mondantlitzige, silberleibige Zypresse -

Er hat das Herz eines Löwen, Kraft eines Elefanten,
seine Arme sind wie der Fluss Nil.

Wenn er im Hof weilt, streut er Gold,
und wenn er kämpft, rollen die Köpfe.

Seine weißen Haare sind sein Schmuck,
damit er die Herzen verzaubere.

Als Rudabe diesen Worten lauschte,
war sie so erregt, dass ihr Gesicht rot wie Granatfrucht wurde.

Ihr Herz entflammte durch die Liebe zu Zal,
sie hatte keine Ruhe mehr, noch konnte sie essen.

Ich bin eine Verliebte wie das mächtige Meer,
aus dem die Wogen zum Himmel steigen.

Mein Herz ist erhellt durch die Liebe zu Zal,
Gedanken an ihn fesseln mich im Schlaf.

Mein Herz, mein Sinn und meine Seele sind von Liebe erfüllt,
Tag und Nacht sehne ich mich, ihn zu sehen.

Weder begehre ich Könige, Kaiser von China,
noch Kronbesitzer des iranischen Reiches.

Als die glänzende Sonne unsichtbar war,
schlossen sie die Kammertür - der Schlüssel war verschollen!

Die Schwarzäugige, Rosenwangige stieg auf die Dachterrasse,
wie eine aufrechte Zypresse mit dem Vollmond über dem Kopf.


Als von Ferne der fabelhafte Ritter Zal erschien,
öffnete dieses ruhmreiche Mädchen die rubinroten Lippen und rief:

Sei fröhlich willkommen,
O du Einmaliger, Edelmutiger!

Sie löste ihre langen Haare wie ein Seil,
und machte aus Moschus eine Fangschnur.

Er verlangte von seinem Diener das Fangseil,
Und schleuderte es hoch ohne zu zögern.

Rudabe hörte nicht auf, ihn anzuschauen,
ihren Blick wandte sie nicht von ihm ab.

Das Feuer seines Antlitzes verbrannte ihre Seele,
sie schaute dieses Feuer und es entflammte sich ihr Herz.

So geschah es bis zur Morgendämmerung,
bis die Pauken der Gelage ertönten.      

Übertragung aus dem Persischen von Shams Anwari